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Kohlenhydrate

Die Rolle der Kohlenhydrate

Zu den Kohlenhydraten gehört der mengenmäßig größte Teil aller auf der Erde vorkommenden organischen Substanzen. Sie sind überwiegend Syntheseprodukte von Pflanzen, die sie als Betriebsstoffe (Zucker), als Energiespeicher (Stärke) oder als Gerüststoffe (Cellulose; Hauptbestandteil der Pflanzenzellwänden, aber auch bei Bakterien) verwenden.
Pflanzen und Tiere verwenden Kohlenhydrate als Grundgerüst ihrer DNA und RNA, sowie bei der Zell-Zell-Erkennung und sie haben eine Stützfunktion bei großen Proteinen und Proteinverbänden.
Für Tier und Mensch sind sie als Nahrungsmittel und Speicherstoffe (Glykogen), für die menschliche Technik zudem als Rohstoff bedeutsam.

Monosaccharide

Makromolekulare Kohlenhydrate wie Stärke und Cellulose lassen sich durch Hydrolyse

Unter Hydrolyse versteht man einen Vorgang, bei dem Kovalenzbindungen unter Aufnahme von Wasser gespalten werden.

in Grundbausteine zerlegen, die Monosaccharide genannt werden. Es sind vorwiegend Aldehyde oder Ketone mit zwei oder mehr Hydroxylgruppen. Diese niedermolekularen "Zucker" zeichnen sich durch ihren süßen Geschmack und durch ihre gute Wasserlöslichkeit aus. Wasserstoffbrücken bewirken starke zwischenmolekulare Kräfte in den Zuckerkristallen: Zucker sind feste und ziemlich harte Substanzen. Dagegen sind die innermolekularen Kräfte vergleichsweise schwach. Kohlenhydrate zersetzen sich beim Erhitzen unter Rußabscheidung, lassen sich also nicht unzersetzt destillieren, vielfach nicht einmal schmelzen.

Glucose

Der wichtigste Vertreter der Monosaccharide (Einfachzucker) ist die Glucose (Traubenzucker). Sie findet sich in Früchten, im Honig, aber auch in einer Konzentration von 0,1% im Blut.
Die Elementaranalyse ergibt die Zusammensetzung CxH2xOx. Die Molekülmasse läßt sich auf 180 u bestimmen. Daraus resultiert die Bruttoformel C6H12O6. Glucose ist nach der Zahl der Kohlenstoffatome eine Hexose.

Die Struktur kann aus folgenden experimentellen Befunden erschlossen werden:

  1. Die vollständige Reduktion der Glucose führt zum n-Hexan. Es ist demnach eine unverzweigte Kette aus sechs Kohlenstoffatomen als Grundgerüstdes Moleküls anzunehmen.
  2. Mit verdünnter Calciumhydroxidlösung kann ein Alkoholat hergestellt werden. Das Molekül besitzt also zumindest eine Hydroxylgruppe.
  3. Eine vollständige Veresterung von Glucose mit Essigsäure führt zu einem Penta-acetat. Im Glucosemolekül müssen also fünf Hydroxylgruppen vorhanden sein.
  4. Die Möglichkeit zur Addition von Cyanwasserstoff (HCN), legt die Existenz einer Carbonylgruppe nahe.
  5. Da die milde Oxidation der Glucose zur Gluconsäure C5H11O5-COOH führt, muß die Carbonylgruppe endständig, also in einer aldehydartigen Gruppierung vorliegen.

Glucose ist demnach eine Aldohexose oder allgemein eine "Aldose".

Die übliche Strukturformel vernachlässigt, dass jede der C-C-Bindungen einen Winkel von annähernd 110° einschließt. Es liegen weder die Atome der Kohlenstoffkette noch die der seitlichen Gruppen in einer Ebene. Die benutzte Strukturformel entsteht vielmehr durch Projektion der räumlichen Struktur in einer Ebene nach bestimmten Regeln.
Da das Zuckermolekül vier Chiralitätszentren (die C-Atome 2, 3, 4 und 5) aufweist, ist die Ableitung der Fischer Projektion komplizierter als bei dem Glycerinaldehyd.

Als Folge der vier Chiralitätszentren lassen sich bei der Hexose 24=16 zueinander stereoisomere Molekülstrukturen formulieren und auch als Verbindungen isolieren. In langwierigen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Glucose durch diese Projektionsformel zutreffend beschrieben wird.

D-Glucose

Da die Hydroxylgruppe an dem von der Aldehydgruppe entferntesten Chiralitätszentrum (C5-Atom) wie beim D-Glycerinaldehyd rechts steht, ist der natürliche Traubenzucker als D-Glucose zu bezeichnen. Die Schreibweise D-(+)-Glucose gibt zusätzlich an, dass in der Lösung dieser Glucose die Schwingungsebene linear polarisierten Lichtes nach rechts gedreht wird.

Die abgeleitete "offene" oder Kettenformel steht mit zahlreichen Eigenschaften der Glucose in Widerspruch.

  1. Bei der Schiffschen Probe (Zugabe von Fuchsinschwefliger Säure zu einer Glucoselösung) tritt nicht die für Aldehyde typische Violettfärbung auf.
  2. Hydrogensulfit wird nicht addiert und im IR-Spektrum fehlt eine für die Carbonylgruppe typische Linie (Blockierung oder Maskierung der Aldehydgruppe).
  3. Pro mol Glucose wird nur ein mol Methanol angelagert, obwohl eine Aldehydgruppe sonst mit zwei Alkoholmolekülen über die Stufe des Halbacetals zum Vollacetat reagiert. Dennoch besitzt das Reaktionsprodukt von 1 mol Glucose und 1 mol Alkohol die Eigenschaften eines Vollacetals.
Die Annahme, dass die Acetatbildung bereits vor der Reaktion mit dem Alkohol "zur Hälfte" erfolgt ist, die Glucose also bereits als "Halbacetal" vorliegt, macht den obigen Befund verständlich: Die Addition von einem Molekül Alkohol an ein Molekül Glucose liefert bereits das Vollacetal.
Die in der Glucose bestehende Halbacetalgruppe kann durch eine innermolekulare Umlagerung entstanden sein, wobei es über eine Sauerstoffbrücke zum Ringschluß kommt.

Die Umwandlung zwischen den beiden anomeren Ringformen erfolgt unter Protonenwanderung über die offenkettige Form mit ihrer freien Aldehydgruppe. Diese besitzt im Gleichgewicht eine sehr geringe Konzentration.
Die Glucose bildet also ein cyclisches Halbacetal. In kristalliner Form bildet die Glucose sechsgliedrige Ringmoleküle.

Alpha- u. Beta-D-Glucose

Beim Ringschluß entsteht ein neues (und zwar das fünfte) Chiralitätszentrum. Daher sind zwei Isomere der D-Glucose zu erwarten, die sich allein in der Stellung der Hydroxylgruppe (-OH) am C1-Atom unterscheiden. Da diese zueinander nicht enantiomer sind, müssen sie in ihren physikalischen Eigenschaften differieren. Tatsächlich lassen sich aus wässriger Lösung zwei Glucoseformen kristallisieren.
  1. Alpha: Bei Zimmertemperatur bildet sich eine D-Glucose mit einem Smp. von 146°C und einem spezifischen Drehwinkel von +112°.
  2. Beta: Bei Temperaturen um 98°C kristallisiert eine D-Glucose mit einem Smp. von 150°C und einem Drehwinkel von +19°

Anomere

Diese beiden Formen der D(+)-Glucose werden als Alpha- bzw. Beta-D-(+)-Glucose bezeichnet. Ihre Strukturen unterscheiden sich nur in der Stellung der Hydroxylgruppe am C1-Atom, dem sogenannten anomeren C-Atom. Derartige diastereomere Formen nennt man daher Anomere.

Beim Ringschluß bleiben die Tetraeder-Winkel erhalten. Der Ring ist nicht planar (flach). Er kann daher wie das Cyclohexan in mehreren Konformationen auftreten.

Die verschiedenen Konformationen sind nicht energiegleich: Die Sesselform ist energieärmer und daher gegenüber der Wannenform bevorzugt. Angestrebt wird zudem eine Konformation, bei der möglichst viele Seitenketten eine äquatoriale Lage einnehmen und damit größtmöglichen Abstand vom Kern besitzen. Dies ist in der "Normalform" (N-Konformation) der beta-D-Glucose der Fall.

Um die Strukturformeln zu vereinfachen, hat man sich darauf geeinigt nur die OH-Gruppen und die CH2OH-Gruppe an dem stilisierten Ring durch Striche anzudeuten. Wobei die Ausrichtung der Seitengruppen durch die Lage zum Ring deffiniert wird (nach oben oder nach unten).

Mutarotation

Löst man die beta-D-Glucose in Wasser, so steigt der spezifische Drehwinkel von 19° auf 53° an. Diese Mutarotation zeigt die allmähliche Ausbildung eines Gleichgewichtes an, in dem die Glucose zu 63% in der beta-Form und zu 27% in der alpha-Form vorliegt; der spezifische Drehwinkel dieses Gemisches beträgt +53°. Zum gleichen spezifischen Drehwinkel und damit zu denselben Gleichgewichtskonzentrationen kommt man beim Auflösen reiner alpha-Glucose. Die aus der Gleichgewichtlage erkennbare Begünstigung der beta-D-Glucose läßt sich nach einem Konformationsvergleich verstehen. Zwar besitzt auch die alpha-D-Glucose Sesselform die Seitengruppen besitzen allerdings die ungünstigere axiale Stellung.

Allgemein ist bei Monosacchariden zu beobachten, dass die Ringe dann besonders stabil sind, wenn sich die sperrigen Substituenten (-CH2OH bzw. -OH) in der geräumigen äquatorialen Stellung befinden. Von den 16 möglichen Aldohexosen treten in den Naturstoffen nur wenig auf. In erster Linie sind diese die D-Glucose, dann noch D-Galaktose und D-Mannose mit je einer Hydroxylgruppe in axialer Stellung.

Stambaum der Aldosen

Die Monosaccharide, die einfachsten Kohlenhydrate, sind Aldehyde oder Ketone mit zwei oder mehr Hydroxylgruppen; ihre empirische Formel lautet [Cn(H2O)n]. Diese empirische Formel läßt das Wort Kohlenhydrat klarer erscheinen, sie bestehen aus Kohlenstoff und Wasser.
Glycerinaldehyd ist das kleinste Monosaccharid der Aldosen; hier ist n=3. Man nennt solche Zucker mit 3 C-Atomen Triosen.

Das Glycerinaldehyd besitzt eine einziges asymetrisches C-Atom. Es gibt daher von dieser Aldose mit 3 Kohlenstoffatomen zwei Stereoisomere, die man als D-Glycerinaldehyd und als L-Glycerinaldehyd bezeichnet. Zucker mit 4, 5, oder 6 C-Atomen werden wie gewohnt (Nomenklatur der Alkane) als Tetrosen, Pentosen, Hexosen und Heptosen bezeichnet. Bei Kohlenhydraten, die mehr als ein asymetrisches C-Atom besitzen, beziehen sich die Symbole D und L auf dasjenige asymetrische C-Atom, das am weitesten von der Aldehyd- oder Ketogruppe entfernt ist. Wenn man das D-Glycerinaldehyd als Stammform ansieht, kann man durch Hinzufügung jeweils einer H-C-OH- bzw. HO-C-H-Gruppe einen Stammbaum der Aldosen aufbauen:

Man beachte, dass sich z.b. die D-Glucose und die D-Mannose nur in der Stellung am C-2 unterscheiden.
Solche Zucker, deren Konfiguration nur in einem einzigen asymetrischen Zentrum unterschiedlich ist, werden als Epimere bezeichnet. D-Glucose und D-Mannose sind also Epimere am C-2, D-Glucose und D-Galactose Epimere am C-4.

D-Fructose

D-Fructose (Fruchtzucker) ist ein in vielen Früchten und im Honig auftretendes Monosaccharid.

Trotz gleicher Summenformel (C6H12O6) zeigen sich im chemischen Verhalten deutliche Unterschiede zur Glucose. So bildet nur Fructose beim Erhitzen mit Resorcin in salzsaurer Lösung eine rote Verbindung (Seliwanowsche Reaktion).
Fructose besitzt in der offenkettigen Form eine Ketogruppe am C2-Atom.

Sechser- und Fünfer-Ringe

In kristallisierter Form bildet sich ein sechsgliedriges cyclisches Halbketal, die beta-D-Fructopyranose. Wie bei der Glucose tritt bei der Ringbildung ein weiteres Chiralitätszentrum auf (hier am C2). In wässriger Lösung stellt sich ein Gleichgewicht zwischen den beiden cyclischen Anomeren und der offenkettigen Ketoform ein (s. beta-D-Glucose).

Ein Teil der Moleküle geht aber auch in fünfgliedrige Halbketalringe über, die formal vom Furan abzuleiten sind. In dieser Fructofuranose-Form ist der Fruchtzucker in den zusammengesetzten Kohlenhydraten enthalten.

Im Gegensatz zu den Ketonen fallen bei den Ketosen Reduktionsproben wie die Fehlingsche Probe positiv aus. Zucker mit einer freien Aldehyd- oder Ketogruppe reduzieren Indikatoren zum Beispiel komplex gebundenes Cu2+ zu Cu+. Bei dieser Reaktion ist die offene Kettenform der Aldose oder Ketose das Reduktionsmittel. Ketosen können demnach leicht oxidiert werden. Die Ursache dieses überraschenden Verhaltens ist eine Umlagerung der Fructose über eine Endiol-Form in die Glucose, wobei der Zucker kurzzeitig offenkettig vorliegt. Hierbei handelt es sich um ein Beispiel für eine Keto-Enol-Tautomerie.

Stammbaum der Ketosen

Der einfachste Zucker der Ketosen ist das Monosaccharid Dihydroxyaceton. Dieser kleinste Vertreter der Gruppe ist optisch inaktiv, da er kein asymetrisches C-Atom besitzt (hat kein Chiralitätszentrum).

Erst durch hinzufügen einer weiteren asymetrischen Gruppe erreicht man eine Chiralität. Fügt man die Gruppe HCOH (OH-Gruppe auf der rechten Seite) hinzu, kommt man zu der D-Erythrulose, die einzige D-Ketose mit vier C-Atomen. Auch hier gilt: Bei Kohlenhydraten, die mehr als ein asymetrisches C-Atom besitzen, beziehen sich die Symbole D und L auf dasjenige asymetrische C-Atom, das am weitesten von der Aldehyd- oder Ketogruppe entfernt ist.
Da Ketosen ein asymetrisches Zentrum weniger besitzen als Aldosen gibt es hier nur einen D-Vertreter mit vier C-Atomen.

Glykosidische Bindungen

Erwärmt man Glucose in wasserfreiem Methanol, das HCl enthält, dann reagiert das anomere C-Atom mit der Hydroxylgruppe (-OH) des Alkohols unter Bildung von zwei Acetalen, die man als alpha-Methylglucosid und beta-Methylglucosid bezeichnet. Dies ist eine "etherartige" Bindung über ein Sauerstoffatom. HCl erleichtert die Entfernung der -OH-Gruppe vom anomeren Kohlenstoffatom.

Die neue Bindung zwischen dem C-1 der Glucose und dem Sauerstoffatom des Methanols wird als O-glykosidische Bindung bezeichnet. Zucker können durch glykosidische Bindungen miteinander zu Di- und Polysacchariden verbunden werden. Zum Beispiel sind in der Cellulose D-Glucose-Einheiten über glykosidische Bindungen zwischen dem C-1 des einen Zuckers und dem Sauerstoffatom der C-4 OH-Gruppe des benachbarten Zuckers miteinander verknüpft.
Die glykosidischen Bindungen in der Cellulose besitzen beta-Konfiguration. Die die vom C-1 ausgeht, liegt oberhalb der Ebene des Ringes. Die Glucose-Einheiten in der Cellulose sind also durch beta(1->4)-glykosidische Bindungen verknüpft, die man abgekürzt auch als beta1,4 oder beta-1,4 bezeichnet. Die einfache Verknüpfung aus zwei Glucose-Molekülen, also das Disaccharid, nennt sich Cellobiose.

Das anomere C-Atom eines Zuckers kann auch mit dem Stickstoffatom eines Amins durch eine N-glykosidische Bindung verknüpft sein. Die besondere Bedeutung dieses Typs glykosidischer Verbindung wird in solchen wichtigen Biomolekülen wie Nucleotiden, RNA und DNA offensichtlich. In nahezu allen natürlich vorkommenden Biomolekülen besitzt die N-glykosidische Bindung beta-Konfiguration.

Phosphorylierte Zucker

Phosphorylierte Zucker sind eine weitere wichtige Klasse von Zuckerderivaten. Der erste Schritt in der Glykolyse (Abbau des Zuckers) ist die Phosporylierung der Glucose zu Glucose-6-Phosphat, ein Phosphatester an der C-6 Hydroxylgruppe. Der Transfer einer Phosphorylgruppe (Pi) vom ATP zur Glucose wird durch das Enzym Hexokinase katalysiert. Im Verlauf der Glykolyse treten noch weitere phosporylierte Zucker als Zwischenprodukte auf, darunter Dihydroxyacetonphosphat und Glycerinaldehyd-3-Phosphat. Ausser das die Phosphorylierung dem Molekül einen "Energiegewinn" verleiht, dient es auch dazu Zuckern einen anionischen Charakter zu verleihen. Die pK-Werte einer Zuckerphosphatgruppe liegen bei etwa 2,1 und 6,8. Bei einem intrazellulären pH-Wert von 7,4 beträgt somit die Nettoladung eines Zuckerphosphates wie Glucose-6-Phosphat ungefähr -1,8. Eine solche Gruppe kann starke elektrostatische Wechselwirkungen mit dem aktiven Zentrum eines Enzyms eingehen, was für den weiteren enzymatischen Abbau natürlich von Vorteil ist.
Die durch Phosphorylierung erzeugte negative Ladung hindert den Zucker auch am freien Durchtritt durch Lipiddoppelschichtmembranen. Die Phosphorylierung hilft demnach, Biomoleküle im Inneren einer Zelle zu halten.

Eine andere Funktion der Phosphorylierung ist die Erzeugung reaktiver Zwischenformen zur Bildung von O- und N-glykosidischen Bindungen.

Disaccharide

Disaccharide bestehen aus zwei Zuckern, die durch O-glykosidische Bindung verknüpft sind. Die drei Disaccharide Saccharose, Lactose und Maltose treten am häufigsten auf.

Die Saccharose (Rohrzucker) ist der gewöhnliche Tafelzucker und wird kommerziell aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben hergestellt. Das anomere C-Atom einer Glucose ist hier alpha-glykosidisch mit dem einer Fructose verbunden. Daher besitzt die Saccharose keine freie reduzierende Gruppe (kein Aldehydende), im Gegensatz zu den meisten anderen Zuckern. Die Hydrolyse des Rorhrzuckers zu Glucose und Fructose wird durch die Saccharase (auch Invertase oder Fructofuranosidase genannt) katalysiert.

Die Lactose, ein Disaccharid, das in der Milch vorkommt (Milchzucker), besteht aus Galactose und Glucose in beta-1,4-glykosidischer Bindung. Im menschlichen Organismus wird sie durch die Lactose, in Bakterien durch die beta-Galaktosidase in diese beiden Zucker gespalten.

In der Maltose (Malzzucker) sind zwei Glucose-Einheiten durch eine alpha-1,4- glykosidische Bindung miteinander verknüpft. Die Maltose entsteht bei der Stärkehydrolyse und wird dann selbst durch die Maltase zu Glucose hydrolysiert.

Die Enzyme Saccharase, Lactase und Maltase befinden sich auf der äußeren Oberfläche der Mucosazellen des Dünndarms.

Fast alle Säuglinge und Kinder können Lactase verdauen. Dagegen fehlt den meisten Erwachsenen in bestimmten Bevölkerungsgruppen die Lactase, was eine Milchunverträglichkeit bewirkt. Ohne Lactase sammelt sich nach der Aufnahme von Milch die Lactose im Dünndarmlumen an, weil es keine Mechanismen für die Resorption (Aufnahme) dieses Saccharids gibt. Die große osmotische Wirkung der nicht resorbierten Lactose führt zum Einstrom von Flüssigkeit in den Dünndarm. Dadurch kommt es zu einem aufgetriebenen Leib, Übelkeit, Krämpfe, Schmerzen und wässrigem Durchfall. Der Lactasemangel scheint autosomal rezessiv vererbt zu werden und kommt gewöhnlich beim Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Durchbruch. Die Verbreitung des Lactasemangels in verschiedenen Populationen des Menschen variiert stark. zum Beispiel besitzen nur 3% der Dänen keine Lactase, verglichen mit 97% der Thais. Völker , bei denen die Erwachsenen keine Milch zu sich nehmen, haben im allgemeinen einen hohen Anteil an Lactoseintoleranz, die auch bei anderen Säugetieren vorkommt. Die Fähigkeit des Menschen, als Erwachsener Lactose zu verdauen , scheint sich seit der Domestizierung des Rindes vor etwa 10 000 Jahren entwickelt zu haben und ist eng an die Viehhaltung gekoppelt.

Poly- und Oligosaccharide

Glucosespeicher: Glykogen, Stärke und Dextran

Tierische Zellen speichern Glucose in Form von Glykogen. Glykogen ist ein sehr großes , verzweigtes Polymer aus Glucoseeinheiten. Die meisten dieser Einheiten sind über alpha-1,4-glykosidische Bindungen miteinander verknüpft. Die Verzweigungen werden durch alpha-1,6-glykosidische Bindungen gebildet, die durchschnittlich einmal alle zehn Einheiten auftreten.

Diese Verzweigungen dienen zur Erhöhung der Löslichkeit des Glykogens und erleichtern die Mobilisierung seiner Zuckereinheiten.

Das Nährstoffreservoir der Pflanzen ist die Stärke, die in zwei Formen vorkommt. Die Amylose, die unverzweigte Form, besteht aus Glucoseeinheiten in alpha-1,4-Bindung. Das Amylopektin, die verzweigte Form, besitzt ungefähr eine alpha-1,6-Bindung auf ~ 30 alpha-1,4-Bindungen; abgesehen vom geringeren Verzweigungsgrad ist es damit dem Glykogen sehr ähnlich.

Mehr als die Hälfte der Kohlenhydrate, die der Mensch zu sich nimmt, ist Stärke. Sowohl Amylopektin als auch Amylose werden schnell durch die alpha-Amylase hydrolisiert, die von den Speicheldrüsen und der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) sezerniert wird.

Dextrane sind Speicherpolysaccharide in Hefen und Bakterien und bestehen ebenfalls nur aus Glucoseeinheiten; sie unterscheiden sich aber vom Glykogen und von der Stärke dadurch, dass sie fast ausschließlich alpha-1,6-Bindungen enthalten. Abhängig von der untersuchten Spezies findet man mehr oder weniger Verzweigungen durch alpha-1,2-, alpha-1,3- und alpha-1,4-glykosidische Bindungen.

Cellulose, das wichtigste Polysaccharid der Pflanzen

Als zweites bedeutendes Polysaccharid tritt in den Pflanzen die Cellulose auf, die mehr zur Strukturbildung als zur Ernährung dient. Tatsächlich ist die Cellulose die am häufigsten auftretende organische Verbindung in der Biosphäre. Ungefähr 1015 kg Cellulose werden jedes Jahr auf der Erde synthetisiert und abgebaut. Es ist ein unverzweigtes Polymer aus Glucose-Einheiten, die durch beta-1,4-Bindungen miteinander verknüpft sind. Die beta-Konfiguration ermöglicht der Cellulose die Bildung sehr langer gerader Ketten. Jede Glucose-Einheit ist gegenüber der nächsten um 180° verdreht, und der Ringsauerstoff einer Einheit bildet mit der C-3-OH-Gruppe der nächsten eine Wasserstoffbrücke aus.

Durch parallel angeordnete Ketten entstehen Fibrillen.

Die alpha-1,4-Bindungen im Glykogen und in der Stärke rufen eine völlig andere molekulare Struktur hervor. Anstelle gerader Ketten bildet sich eine hohle Helix. Diese unterschiedlichen Folgen der alpha- und der beta-Bindungen besitzen biologische Bedeutung:

  1. Die durch beta-Bindung erzeugten geraden Ketten sind optimal zur Konstruktion von Fasern mit hoher Zugfestigkeit (Cellulose).
  2. Die durch alpha-Bindung erzeugte offene Helix eignet sich gut zur Bildung eines zugänglichen Glucosespeichers
Säuger besitzen keine Cellulasen und sind deshalb nicht im Stande, Holz und Pflanzenfasern zu verdauen. Einige Widerkäuer jedoch beherbergen in ihren Verdauungstrakten Bakterien die Cellulasen produzieren, und können daher Cellulose verdauen. Pilze und Protozoen produzieren ebenfalls Cellulasen. Tatsächlich ist die Verdauung von Holz durch Termiten von Protozoen abhängig, die in ihren Därmen symbiotisch leben.

Die Exoskelette von Insekten und Krebsen enthalten Chitin, das aus N-Acetylglucosamin-Einheiten in beta-1,4-Bindungen besteht. Das Chitin bildet lange gerade Ketten, die eine strukturelle Aufgabe erfüllen. Chitin ähnelt also der Cellulose, mit dem Unterschied, dass der Substituent am C-2 keine Hydroxylgruppe, sondern eine acetylierte Aminogruppe.

Oligosaccharide und Proteine

Viele sezernierte Proteine, etwa Antikörper und Blutgerinnungsfaktoren, enthalten Oligosaccharid-Einheiten. Diese Kohlenhydrate sind entweder über O-glykosidische Bindungen mit dem Sauerstoffatom der Seitenkette von Serin- oder Threoninresten oder über eine N-glykosidische Bindung mit dem Stickstoffatom der Seitenkette von Asparaginresten verbunden.
An eine Grundstruktur aus fünf Sacchariden werden in verschiedener Art und Weise zusätzliche Zucker angehängt, wodurch die große Vielfalt von Oligosaccharidstrukturen in Glykoproteinen entsteht.

Kohlenhydrate und Zell-Zell-Erkennung

Die Vielfalt und Komplexität der Kohlenhydrat-Einheiten von Glykoproteinen läßt vermuten, dass sie viele Informationen tragen und eine funktionelle Bedeutung besitzen. Die Natur konstruiert keine komplexen Anordnungen, wenn einfache genügen. Cellulose und Stärke zum Beispiel sind aus Glucoseeinheiten aufgebaut, die nahezu alle durch denselben Typ von glykosidischer Bindung verknüpft sind. Im Gegensatz dazu enthalten Glykoproteine fünf verschiedene Zuckereinheiten, die über viele Sorten glykosidischer Bindungen miteinander verbunden sind. Wozu dienen diese komplizierten und vielfältigen Anordnungen? Eine definitive Antwort auf diese Frage läßt sich noch nicht geben, aber einige Anhaltspunkte für die biologische Bedeutung von Oligosacchariden wurden bereits ermittelt.

Die Entfernung von Glykoproteinen aus dem Blut wird durch Oberflächenrezeptorproteinen auf Leberzellen erreicht. Die Oligosaccharid-Einheiten bestimmen letztlich die Zirkulationszeiten und zeigen an, wann das Protein, das sie trägt, aus dem Blutkreislauf genommen werden soll.

Pflanzen enthalten spezifische kohlenhydratbindende Proteine, die man als Lectine bezeichnet. Zum Beispiel bindet sich das Concanavalin A aus der Schwertbohne an innere und nicht reduzierende endständige Zuckerreste. Das Weizenkeimagglutinin, das Erdnußlecitin und das Phytohämagglutinin (aus der Feuerbohne) erkennen Disaccharide und Oligosaccharide. Alle bekannten Lectine enthalten zwei oder mehr Bindungsstellen für Kohlenhydrateinheiten, die für die Agglutination (Verklumpung) von roten Blutkörperchen (Erythrocyten) und anderen Zellen verantwortlich sind.

Bakterien können ebenfalls Lectine enthalten. Die Haftung von E.coli an die Epithelzellen des Darmes wird durch bakterielle Lektine vermittelt, die Oligosaccharideinheiten auf der Oberfläche von Zielzellen erkennen.

Kohlenhydrate sind vermutlich auch an der Vermittlung von Zell-Zell-Wechselwirkungen in Tieren beteiligt. Die Adhäsion von Neuronen bei der Entwicklung des Nervensystems wird zum Teil durch ein neurales Zelladhäsionsmolekül (N-CAM) vermittelt. Ein N-CAM-Molekül auf dem einen Neuron verbindet sich mit seinem Gegenstück auf einem anderen Neuron, um den Kontakt zwischen diesen beiden Zellen herzustellen und ihre dauerhafte Verbindung vorzubereiten.

Technische Gewinnung und Verarbeitung

Zucker

Im täglichen Sprachgebrauch versteht man unter "Zucker" den aus Zuckerrohr oder Zuckerrübe gewonnenen Nährstoff, der chemisch Saccharose genannt wird.
Das Zuckerrohr stammt aus dem tropischen Asien; aus dem Sanskritwort (indisch) "sakara" leitet sich sowohl der Name Saccharose als auch - über das arabische "sukkar" - das Wort Zucker ab. Heute wird das Zuckerrohr vor allem in Mittel- und Südamerika und in Süd- und Südostasien kultiviert.

Im 18.Jhr entdeckte der Berliner Chemiker Marggraf, dass die altbekannte Runkelrübe "nicht bloß ein zuckerähnliches Wesen" enthalte, sondern aus ihr "wahrer, vollkommener Zucker, dem bekannten aus Zuckerrohr völlig gleich" gewonnen werden kann. Die Entwicklung der Rübenzuckerindustrie wurde zu Beginn des 19.Jhr durch Napoleons Kontinentalsperre gefördert. Doch wurde der Rübenzucker gegenüber dem Rohrzucker erst voll konkurrenzfähig, als der Zuckergehalt der Zuckerrübe von 4,5% auf 16% gesteigert werden konnte.

Zur Zuckergewinnung werden die zerkleinerten Zuckerrüben mit heißem Wasser ausgelaugt. Der stark verunreinigte und daher dunkle Rohsaft enthält knapp 15% Zucker. Zur Abscheidung der Verunreinigungen wird ihm Kalkmilch (Ca(OH)2) zugesetzt, die mit diesen schwerlösliche Verbindungen bildet. Der Überschuß wird anschließend mit Kohlendioxid (Umsetzung zu Kalk) ausgefällt. Der gefilterte, hellgelbe Dünnsaft wird in der Hitze (in Verdampfern) eingedickt und schließlich im Vakuum nahezu eingedampft. Im dicken Sirup scheiden sich die Zuckerkristalle ab, von denen der anhaftende Sirup in der Zentrifuge großteils abgeschleudert und zuletzt mit Wasserdampf abgewaschen wird. Zur Abtrennung der letzten Verunreinigungen wird dieser Rohzucker in Wasser gelöst und dann nochmals eingekocht. So entsteht die Zuckerraffinade.

Cellulose

Von allen organischen Stoffen auf der Erde nimmt die Cellulose der Masse nach den ersten Platz ein und bildet damit einen wichtigen und zudem laufend nachgebildeten Rohstoff. Im Vergleich zur Petro- und Kohlechemie ist aber die Verwertung der Cellulose noch wenig entwickelt.

Cellulose ist im Holz enthalten. Mengenmäßig bedeutsame weitere Holbestandteile sind die Hemicellulosen (Polysaccharide, deren Monomere nicht Glucose, teilweise nicht einmal Hexosen sind) und die Lignine (Mischpolymerisate von Phenylpropenderivaten). Die Abtrennung der reinen Cellulose (Zellstoff) erfordert ein "Aufschließen", das heißt das Herauslösen dieser Nebenbestandteile.

Im Sulfidzellstoff-Verfahren, das in Deutschland durchgeführt wird, kocht man zerkleinertes Holz einige Stunden lang (bei 145°C und 5 bar Druck) mit einer Lösung von Calcium- und Magnesiumhydrogensulfit. Danach wird der ungelöste Rohzellstoff von der Kocherablauge abgetrennt, gebleicht, ausgewaschen, zerfasert, entwässert und zu Platten gepreßt.

Von der Zellstofferzeugung kann eine bedeutsame Umweltbelastung ausgehen. Die Produktion einer Tonne gebleichten Zellstoffs benötigt etwa 250 m3 Wasser, so dass die Abwässer die Vorfluter sehr stark belasten. Neue Verfahren die mit Sauerstoff bleichen sind wesentlich umweltverträglicher.

Holzverzuckerung

Beim Einwirken von Salzsäure auf Holzabfälle werden Cellulose und Hemicellulose in Monosaccharide gespalten. Die bei dieser "Holzverzuckerung" entstehenden Lösungen können - nach Neutralisation und Zusatz von Düngestoffen - von Hefepilzen zu Alkohol vergoren werden. Gleiches ist mit der zuckerhaltigen Sulfitablauge möglich. Hierdurch werden große Mengen Industrie-Alkohol produziert.

Cellulose-Verarbeitung

Der Haupteil des Zellstoffs wird von der Kunststoffindustrie, eine kleinere Menge auch von der Papierindustrie aufgenommen. Normales Zeitungspapier bestand 1970 zu 80% aus fein zerfasertem Holz (Holzschliff) und nur zu 15% aus Cellulose. Heutzutage ist der Anteil an Altpapier wesentlich höher.
Für die Verarbeitung zu verspinnbaren Fasern muß die Cellulose gelöst werden, was bei ihrer chemischen Widerstandsfähigkeit kein leichtes Problem ist. Die starken Wasserstoffbrücken werden durch Veränderung der Hydroxylgruppe (-OH) (Veresterung, Veretherung) oder durch Komplexierung getrennt.

Im Viskoseverfahren werden die langen Cellulosenketten zunächst durch Laugen zerlegt. Mit Kohlenstoffdisulfid (CS2) enstehen anschließend Celluloseester, die sich in Natronlauge zur zähflüssiger Viskose lösen. Diese wird durch Spinndüsen in ein Säurebad gepreßt, wobei die Cellulose als Viscoseseide ("Reyon") wieder ausfällt. Zum Teil werden die Endlosfäden in kurze Stücke zerschnitten, die sich wie natürliche Fasern verspinnen lassen ("Zellwolle").

Beim Acetatverfahren verestert man die Cellulose mit Essigsäure, spaltet dann durch partielle Hydrolyse einen Teil der Acetatgruppen wieder ab und zerlegt gleichzeitig die langen Ketten in kürzere Bruchstücke. Wird dieses Celluloseacetat in Aceton gelöst und durch Spinndüsen in Heißluft gepreßt, so verdunstet das Lösungsmittel und es entsteht die Acetatseide.

Während also Viskoseseide und Zellwolle aus verkürzter, aber sonst unveränderter ("regenerierter") Cellulose bestehen, ist die Acetatfaser eine chemisch abgewandelte Cellulose. Gleiches gilt für das Cellulosenitrat, den fälschlich "Nitrocellulose" genannten Ester mit Salpetersäure. Nitrocellulose wird zu Schießbaumwolle oder zu Celluloid, einem der ältesten Kunststoffe, weiterverarbeitet.

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